Zusammenhang zwischen Handynutzung und Gehirntumoren

Berufungsgericht Turin bestätigt den Zusammenhang zwischen Handynutzung und Gehirntumoren

ICNIRP-Gutachter als befangen abgelehnt.
Nach Ansicht der Richterin Fadda des Berufungsgerichts Turin wurde das Akustikusneurinom (gutartiger Tumor des Hör- und Gleichgewichtsnervs) des klagenden Arbeiters durch die Benutzung des Mobiltelefons verursacht. Damit bestätigte das Gericht in seinem am 13. Januar 2020 veröffentlichten Urteil (904/2019 vom 3.12.2019 , Romeo gegen INAIL) die Entscheidung des Tribunals von Ivrea aus dem Jahr 2017 in vollem Umfang.

Nach Ansicht des Gerichts ist die Kausalität zwischen der Strahlung und des Tumors „eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich“ (Urteil S.33).

Dies würde bestätigt durch „epidemiologische Daten, die Ergebnisse von Tierversuchen (derzeit nicht im Widerspruch zu anderen Versuchen derselben Art), die Dauer und Intensität der Exposition …, die besonders wichtig sind angesichts der – auf wissenschaftlicher Ebene – festgestellten Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der Exposition gegenüber Mobilfunk-Funkfrequenzen und dem Risiko von Akustikusneurinomen, sowie das Fehlen jedes anderen Faktors, der die Krankheit hätte verursachen können“.

Die wissenschaftliche Analyse durch unabhängige, vom Gerichtshof bestellte Sachverständige bestätige den Kausalzusammenhang, die Gutachten hätten „starke Beweise für die Behauptung einer kausalen Rolle zwischen der beruflichen Exposition des Beschwerdeführers, seiner Strahlenexposition durch Mobiltelefone und der aufgetretenen Krankheit“ nachgewiesen. Die Berufung der INAIL (gesamtstaatliches Versicherungsinstitut für Arbeitsunfälle) wurde zurückgewiesen.

Dies ist das zweite italienische Berufungsurteil zugunsten eines Arbeitnehmers nach dem Urteil von Brescia im Jahr 2010, das mit der Bestätigung des Obersten Gerichtshofs im Jahr 2012, der Fall Marcolini gegen das INAIL, abgeschlossen wurde.

Industrielle Interessenkonflikte, wenn der Gutachter der ICNIRP angehört

Der Fall Romeo gegen INAIL ist auch deshalb historisch, weil diese Entscheidung die Forschungslage zur tumorauslösenden Wirkung nicht-ionisierender Strahlung anerkennt und vor allem, weil Interessenkonflikte bestimmter, der Mobilfunkindustrie nahestehender Experten offen benannt werden.

Tatsächlich erkennt das Gericht an, dass von der Telefonindustrie finanzierte Wissenschaftler oder Mitglieder der ICNIRP weniger zuverlässig sind als unabhängige Wissenschaftler:

    • „Ein Großteil der wissenschaftlichen Literatur, die Kanzerogenität durch HF-Exposition ausschließt oder zumindest argumentiert, dass gegenteilige Forschungen nicht als schlüssig angesehen werden können… befindet sich in einem Interessenkonflikt, der nicht immer angezeigt wird: siehe insbesondere auf Seite 94 des Berichts die (von der anderen Partei nicht bestrittene) Verteidigung der Klägerin, dass die namentlich genannten Autoren der vom INAIL angegebenen Studien Mitglieder der ICNIRP und/oder des SCENIHR sind, die direkt oder indirekt von der Industrie finanziert wurden (S.33)”. Das Turiner Gericht erklärt: „In diesem Fall können Interessenkonflikte bei der Bewertung der Auswirkungen von Funkfrequenzen auf die Gesundheit auftreten: 1. Fälle, in denen der Autor der Studie die Telefonindustrie beraten oder von der Telefonindustrie Mittel für Studien erhalten hat 2. wenn der Autor selbst Mitglied der ICNIRP ist“.

    Anmerkung: Die ICNIRP wird von Frau Dr. Gunde Ziegelberger (Bundesamt für Strahlenschutz) koordiniert und hat ihren Sitz im Bundesamt für Strahlenschutz in Oberschleißheim.

    Dr. Marc Arazi, Präsident von Phonegate Alert, einer französischen Organisation, schreibt zu dem Urteil:

    Textauszug aus dem Urteil von Turin S. 32 bis S. 34

    „Die epidemiologischen Daten, die Ergebnisse der Tierversuche (die derzeit nicht im Widerspruch zu anderen Experimenten desselben Typs stehen), die Dauer und Intensität der Exposition (absolut von extra hohem Niveau) nehmen insgesamt eine besondere Bedeutung ein, vor allem vor dem Hintergrund der bisher wissenschaftlich erwiesenen Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der Exposition gegenüber Funkfrequenzen von Mobiltelefonen und dem Risiko eines akustischen Neurinoms. Dazu fehlt überhaupt jeder weitere Faktor, der die Pathologie hätte ansonsten verursacht haben können. All diese Elemente führen in ihrer Gesamtheit zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall ein wissenschaftliches Gesetz den Kausalzusammenhang nach probabilistischen Kriterien („eher wahrscheinlicher als gar nicht wahrscheinlich“) unterstützt.

    Tatsächlich befindet sich ein großer Teil der wissenschaftlichen Literatur, welche die Karzinogenität der Hochfrequenzexposition ausschliesst oder zumindest argumentiert, dass Forschungsarbeiten, die zu entgegengesetzten Schlussfolgerungen gekommen sind, nicht als schlüssig angesehen werden können, wie auch die Gerichtssachverständigen in ihren Kommentaren zu den Ausführungen der Verteidigung des Beschwerdeführers (siehe Seiten 84-97 des Berichts), in einer Position des Interessenkonfliktes. Dies auch, wenn solcher Konflikt überhaupt nicht im Vorfeld deklariert wurde.

    Insbesondere auf Seite 94 des Berichts finden wir die Feststellung der Verteidigung (von der Gegenseite in keiner Weise bestritten), dass die namentlich aufgeführten Autoren der von INAIL angegebenen Studien Mitglieder der ICNIRP und/oder des SCENIHR sind, die direkt oder indirekt von der Industrie finanziert wurden.

    In diesem Zusammenhang stellten die vom Richterkollegium ernannten Gutachter fest:

    ‚Darüber hinaus wird auch im Hinblick auf die umfangreiche Dokumentation über Interessenkonflikte mehrerer an der INTERPHONE-Studie beteiligter Forscher, die ebenfalls von den Beratern der Anklage erstellt wurde, die Auffassung zugunsten folgender Gewichtung vertreten:

    Die Studienergebnisse, die von Autoren geliefert werden, welche ihre doch bestehenden Interessenskonflikte nicht erklärt haben, sollen weniger Beachtung finden gegenüber jenen Ergebnissen, die von Studien stammen, welche von Forschern ohne solche Konflikte durchgeführt wurden, wie z.B. Studien vom Forschungsteam Dr. Hardell.

    Im vorliegenden Fall können Interessenkonflikte im Zusammenhang mit der Bewertung der gesundheitlichen Auswirkungen von Funkfrequenzen auftreten, z.B. wenn der Autor der Studie die Telefonindustrie beraten hat oder von der Telefonindustrie Mittel für Studien erhalten hat oder selbst Mitglied von ICNIRP ist (Internationale Kommission für nichtionisierende Strahlung). Tatsächlich ist die ICNIRP eine private Organisation, deren Richtlinien von großer wirtschaftlicher und strategischer Bedeutung für die Telekommunikationsindustrie sind. Mehrere ICNIRP-Mitglieder sind durch Beratungsbeziehungen mit solcher Industrie unweigerlich verbunden…

    (Diese Feststellung wurde übrigens auch vom Karolinska Institutet in Stockholm im Zusammenhang mit der Beschwerde gegen Prof. Ahlbom getroffen. Dieser wurde schliesslich wegen seiner Mitgliedschaft in der ICNIRP von seinem Amt als Vorsitzender der IARC-Arbeitsgruppe enthoben).

    Abgesehen von möglichen Verbindungen mit der Industrie ist es klar, dass die ICNIRP-Mitglieder davon absehen sollten, die gesundheitlichen Auswirkungen von RF-Werten zu bewerten, die die ICNIRP selbst bereits für sicher und daher nicht gesundheitsschädlich erklärt hat (Hardell, 2017).‘ (siehe Bericht Seite 107).“

    (Übersetzung: Francesco Imbesi, Verbraucherzentrale Südtirol; es gilt der italienische Originaltext)

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    Prof. Dr. med. L. Hardell – Hochfrequente Strahlung steht mit einem erhöhten Krebsrisiko in Zusammenhang , Vortrag auf dem Symposium der Kompetenzinitiative im Mainz, Oktober 2019

    Quelle: www.diagnose-funk.org/

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